Individualisierung des Lernens als Antwort auf frustrierenden Kursalltag

Viele Kursleitende erleben Frustration, da sie die Lernziele durch hohe Diskontinuität in den Integrationskursen gefährdet sehen.
Der Alltag in den Integrationskursen ist ein grundsätzlich anderer als man ihn aus dem Unterricht im Schulsystem kennt. Unregelmäßige Teilnahme an den Kursen aus den unterschiedlichsten Gründen, vom Träger abhängig auch hin und wieder große Wechselhäufigkeit in den Gruppen und das alles potenziert durch eine recht hohe Heterogenität auf Sprachniveau (trotz Einstufungstests).
Die unterrichtsrelevante Antwort darauf sind Binnendifferenzierung und Teilnehmerorientierung. Viele stöhnen bei dem Stichwort Binnendifferenzierung auf, weil es für die meisten ein Plus an Vorbereitung und Aufwand bedeutet.
Das Arbeiten an unterschiedlichen Aufgaben, Themen und Interessenschwerpunkten mit unterschiedlichen Lehrbüchern, Lernmaterialien und Arbeitshilfen ist aber nur ein Aspekt der Binnendifferenzierung. Der viel spannendere Aspekt verbirgt sich hinter dem Stichwort Individualisierung des Lernens.
Während Zusatzmaterial und -aufgaben mehr Aufwand für den Kursleitenden bedeuten, heißt Individualisierung des Lernens, dass der Teilnehmende selbst die Verantwortung für seinen Lernprozess übernimmt – in der Erwachsenendidaktik eine unabdingbare Prämisse.
Um die Individualisierung des Lernens in einer Lerngruppe auf den Weg zu bringen, ist ein methodisch-didaktisches Herangehen über Transparenz der Ziele und Ergebnisse nötig. Der erste Schritt ist die Diagnose des Lernstands. Der Teilnehmende selbst und der Kursleiter sollten den Entwicklungsstand in Bezug auf eine bestimmte Anforderung kennen. Voraussetzung dafür sind Kenntnis und Anwendung der Diagnoseverfahren auf Seiten der Kursleitenden sowie die Transparenz der erwarteten Ergebnisse für den Teilnehmenden.
Steht fest, wo der Teilnehmende sich befindet, kommt der zweite Schritt: die Vereinbarung der Ziele. Ist bei einem Teilnehmenden z. B. die Aussprache der Plosive ungenügend oder fehlen die wichtigsten Partizipien, um das Perfekt zu bilden, kann der Teilnehmende sich selbstständig in einem vorgegebenen Zeitrahmen diesen Aufgaben widmen.
Wie das geschehen kann, wird im dritten Schritt festgelegt. Bestenfalls hat der Teilnehmende eigene Ideen, wie er vorgehen möchte. Der Kursleitende agiert an der Stelle eher als Lerncoach, der auch Lernstrategien reflektieren kann.
In Bezug auf die Aussprache der Plosive gab es möglicherweise bereits Übungen im Kurs, die der Teilnehmende nun zu Hause wiederholen kann. Die Partizipien können, falls sie Thema der Lektion sind, im Kurs mit besonderem Augenmerk auf die Lernleistung „auswendig lernen“ geübt, aufgeschrieben und/oder angewendet werden.
Der vierte Schritt auf dem Weg zur Individualisierung des Lernens ist die Reflexion darüber, ob das Ziel in dem festgelegten Zeitraum erreicht wurde. Hier zählt wieder die Abrechenbarkeit der Ergebnisse.
Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke