Ohne Hören kein Sprechen

Hörverstehen ist ein überaus komplexer Vorgang, der verschiedene Kenntnisbereiche der Zielsprache voraussetzt.
Hören beinhaltet zuallererst die Fähigkeit des Gehörs, Schallwellen aufzunehmen. Darüber hinaus wird das Gehörte aber noch rezipiert, also verstanden und interpretiert. Kurz gesagt: in irgendeiner Form verarbeitet.
Genau hier liegt für Deutschlernende die Herausforderung. Was für Muttersprachler ein komplett automatisierter Prozess ist, der praktisch nebenbei abläuft, setzt sich für einen Fremdsprachenlerner aus verschiedenen, ziemlich komplexen Vorgängen zusammen.
Hören umfasst mehrere Komponenten, nämlich die auditive, semantische, syntaktische, pragmatische und kognitive Komponente (Solmecke, 1992). Die auditive Komponente umfasst das Wahrnehmen von akustischen Signale mitsamt der Diskriminierung der einzelnen Phoneme, Morpheme, Wörter und Sätze inklusive Intonation und Rhythmus. Die semantische Komponente schließt das Sinnverstehen von Lexemen, Wörtern und Wortkombinationen ein, die syntaktische dagegen das Erfassen der Beziehungen von Wortketten untereinander. Die pragmatische Komponente bewirkt, dass Sätze innerhalb ihres kommunikativen Kontextes, also der Sprechintention und Sprechabsicht, eingegliedert werden können. Die kognitive Komponente bezieht sich schließlich auf die notwendigen Kenntnisse der Textverarbeitung gesprochener Sprache und deren lexikalischer und syntaktischer Besonderheiten. All diese Einzelkomponenten gilt es beim Aufbau der Kompetenz des Hörverstehens zu beachten und zu trainieren.
Darüber hinaus nimmt auch ein Hörer verschiedene Rollen ein. Er kann ein Adressat sein, mit eingeschränkten Optionen mitzureden (z. B. bei einer Infoveranstaltung in der Schule). Er kann ein Zuhörer sein, ohne Optionen zum Gehörten etwas beizutragen (z. B. beim Radiohören, Ansagen am Bahnhof, Flughafen). Oder er fungiert als Gesprächspartner und ist somit gleichzeitig Hörer und Sprecher.
Für Lernende, die nicht nur im Wortschatz des Deutschen Lücken haben, kann hier schnell das Gefühl der Überforderung eintreten. Denn anders als beim Lesen hat man beim Hören nur wenig Zeit, die Informationen zu verarbeiten. Das heißt, Lernende brauchen Strategien.
Wichtige Informationen im Text werden oft betont, erklärt oder sogar wiederholt.
Beim Hören von sprachlichen Äußerung muss also nicht jedes Wort verstanden werden, um den kompletten Inhalt zu erfassen. Intonation, Mimik und Gestik, Bilder, Geräusche sowie das eigene Weltwissen können helfen, gesprochene Texte zu verstehen.
Auch das Unterteilen in verschiedene Hörtätigkeiten, nämlich in das inhaltsorientierte Hören, das auf ein globales Verstehen abzielt, und dem detailorientierten Hören, das lediglich auf bestimmte sprachliche Elemente abzielt, trainiert das Hörverstehen. So kann man z. B. die Aufmerksamkeit der Lernenden durch gezielte Fragen fokussieren.
Eine weitere Möglichkeit, das Hörverstehen zu unterstützen, bietet das begleitende Handeln. Hören mit Bewegung ist hier eine Möglichkeit.
Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke