Das Eisbergmodell in der Kommunikation

Schon etwas abgestanden, trotzdem immer noch gern genommen.
Das Eisbergmodell ist ein immer noch gern genommenes Modell, wenn über menschliche Kommunikation gesprochen wird. Und das, obwohl die moderne Gehirnforschung, Neurobiologie und Kognitionspsychologie neue Erkenntnisse erbracht haben. Viele davon sprechen dafür, den Antagonismus zwischen sichtbar – unsichtbar, der dem Eisbergmodell innewohnt, zugunsten komplexerer Modelle aufzugeben.
Was aber ist der Grund, warum das Eisberg-Modell vor allem in der Kommunikationstheorie so beliebt ist? 20 Prozent sichtbar, 80 Prozent unsichtbar – das ist die Kernaussage des Eisbergmodells. Das Ganze geht zurück auf Sigmund Freud (1856–1939) und seine wissenschaftliche Arbeit zur Persönlichkeitstheorie, die dem Unbewussten im menschlichen Handeln eine große Bedeutung zuschreibt. Freud selbst hat die Metapher des Eisbergs allerdings nie benutzt.
Das Eisbergmodell besagt, dass Aussagen zu Zahlen, Fakten, Gedanken, Gefühlen und Wünschen dem Menschen bewusst seien. Ängste, verdrängte Konflikte und Persönlichkeitsmerkmale dagegen vorbewusst. Lustbefriedigung, psychosexuelle Entwicklung, traumatische Erlebnisse, Erbanlangen und Instinkte seien schließlich unbewusst.
Auch in vielen Kommunikationsmodellen findet man die 20/80 Verteilung wieder. Hier bedeutet der Eisberg, dass nur ein kleiner Teil der Botschaften direkt wahrnehmbar sei, während viele Informationen unterhalb der gedachten Wasserlinie unbewusst mit-gesandt oder mit-verstanden werden. Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun ist hier der Klassiker.
Neuere Forschungsergebnisse gehen allerdings von anderen Thesen aus. Dabei ist eine ganz wesentliche und dem Eisberg konträr laufende Annahme die, dass unsere Wahrnehmungen und Interpretationen von Schemata gesteuert werden. Der Begriff des „Schemas“ meint hier all die Emotionen, Gedanken und Verhaltensmuster, die ein Mensch im Laufe seines Lebens erwirbt. Auch bei Säuglingen hat man bereits die Fähigkeit zur Organisationswahrnehmung beobachtet, so dass man auch davon ausgeht, dass Schemata schon bei der Geburt als grundlegende Organisationsprinzipen existieren.
Schon an dieser Stelle reicht das Modell des Vor- und Unbewussten, das dem Eisberg innewohnt, nicht mehr aus. Vielmehr sind es Schemata, die die Anschauungen sowie Verhaltensweisen eines Menschen bestimmen und somit auch Einfluss auf die sozialen Beziehungen nehmen. Wie sich ein Schema entwickelt, ist nicht vorhersagbar oder bewusst. Ein Schema ist vor allem eine kognitive Struktur, die sich weitgehend selbst regelt. (Stangl, W. 2020).
Wenn vom Eisbergmodell an dieser Stelle etwas übrigbleiben soll, dann am ehesten seine Stofflichkeit: Ein fluides Wesen zwischen flüssig und fest, dass in ein fluides Denken und somit neue Konzepte mündet.
Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke