Authentisches Material im Deutschunterricht

Oder: Wie der Heuhaufen doch zum Esel kommt.
Die deutsche Sprache in den Kursräumen für DaF/DaZ unterscheidet sich immens von der Sprache „draußen“ im Alltag. Das ist für Lerner*innen vor allem am Anfang auch ganz gut so. Den Schritt hin zur alltagstauglichen Kommunikation in allen Lebenslagen kann man vielleicht ein wenig mit dem Bild des Heuhaufens und des Esels vergleichen: Wenn der Heuhaufen nicht zum Esel kommt, muss der Esel zum Heuhaufen, und der befindet sich nun einmal außerhalb des Kursraumes.
Viele Kursleite*innen haben allerdings eine Möglichkeit gefunden, den Satz des Esels umzudrehen, indem sie authentisches Material im Sprachunterricht einsetzen. Mit authentischem Material im Sprachunterricht sind Texte, aber auch Gegenstände gemeint, die nicht speziell für das Fremdsprachenlernen erstellt wurden, sondern eigentlich für Muttersprachler gedacht sind.
Genau das ist auch die Herausforderung beim Einsatz von authentischem Material im Fremdsprachenunterricht. Es ist oftmals zu schwer für Lerner*innen, der Wortschatz zu speziell, die Texte insgesamt zu komplex. Die Arbeit mit authentischen Materialien benötigt daher zum einen eine sorgfältige Auswahl und zum anderen eine sinnvolle didaktische Aufbereitung.
Die Mühe allerdings lohnt sich. Hier geht es zuerst einmal darum, die Lücke zwischen Unterricht und realem Leben zu schließen. Der Esel bekommt einfach immer sein Futter. Authentische Materialien können die Lerner*innen motivieren, über den Kurs hinaus zu lernen. Die Umgebung außerhalb des Kursraumes wird somit zum Lernanlass. Lernen hört im Alltag nicht auf. Andersherum wird mithilfe von authentischen Materialien der Alltag von „draußen“ in den Kursraum geholt, wodurch u.a. Berührungsängste abgebaut werden können. Darüber hinaus werden die Lerner*innen mit lokalen Angeboten vertraut gemacht.
Bei der Auswahl des authentischen Materials für den Unterricht steht einem die ganze Bandbreite zur Verfügung: Formulare, Broschüren, Internetseiten, Informationsmaterial, Flyer, Bücher, Veranstaltungskalender, Zeitungen, Zeitschriften, Postkarten, Briefe, Prospekte, Stadtpläne, Landkarten, Tickets, Fahrscheine, Rechnungsbelege, Fotos aus der Umgebung – die Liste ist praktisch unendlich.
Ebenso unendlich sind die Möglichkeiten, diese Materialien im Kurs einzusetzen. So eignen sich authentische Materialien immer dazu, einen Gesprächsanlass zu schaffen und zum Entdecken und Erkunden aufzufordern. Vergleiche mit den Herkunftsländern bieten sich ebenso an, wie die Veranschaulichung von Wortschatz und/oder Themen in der Zielsprache. Und nicht zuletzt dienen authentische Materialien für Recherchen und dies vor allem mit Blick auf das selbstgesteuerte Lernen außerhalb des Kursraumes. Es spricht also viel dafür die appetitlichen Heuhäufchen regelmäßig in den Kursraum zu holen.
Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke