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Mehrsprachigkeit als Ressource

Drei Lerner*innen studieren gemeinsam ein Papierdokument; eine Lehrerin lehnt sich unterstützend zu ihnen.

„Hier wird Deutsch gesprochen!“ ist vielleicht gut gemeint, hilft aber wenig.

Der Fremdsprachenunterricht an deutschen Schulen wurde lange Zeit durch die Vorstellung geprägt, dass die Schüler „normalerweise“ einsprachig aufwachsen. Die Prämisse der Einsprachigkeit im Bildungssystem und daraus abgeleitete methodisch-didaktische Vorgehensweisen sind allerdings schon eine ganze Weile von der Realität überholt.

Dennoch hält sich mitunter recht hartnäckig die Idee, dass mit der Regel „Hier wird Deutsch gesprochen“ die besseren Lernerfolge erzielt werden. Dass sich dahinter auch unterschiedliche Formen regelrechter Sprachdiskriminierung verstecken können, ist klar.

Die Zahl der Menschen, die mit zwei oder mehr Sprachen aufwachsen und leben, nimmt weltweit zu. Allein in Berlin wurden 2017 bei 3,6 Millionen Einwohnern 193 Nationalitäten mit mehr als 120 Muttersprachen gezählt. Diese Lebens- und schließlich auch Lernrealität an Schulen ist nicht nur die Folge von Flucht vor Krieg, Hunger oder der Suche nach Arbeit, sondern auch von einer wachsenden internationalen Verflechtung und weltweit gestiegenen Mobilität.

Bei den unter 18-Jährigen in Berlin hat beispielsweise jeder zweite Wurzeln im Ausland, was bedeutet, dass diese Jugendlichen das deutsche Schulsystem durchlaufen, während in der Familie oft die Herkunftssprache oder sogar die -sprachen der Eltern gesprochen werden. Die Zwei- oder Mehrsprachigkeit ist also immer häufiger eine Bedingung für das Erlernen von Sprachen, wobei der Satz „Hier wird Deutsch gesprochen“ letztendlich die enormen Ressourcen einer auf Mehrsprachigkeit ausgerichteten Bildung beschneidet.

So hat man am Beispiel von zwei- oder mehrsprachig lebenden Kindern herausgefunden, dass sie besser in der Lage sind, zwischen der Form von Äußerungen und ihrem Sinn zu unterscheiden (Barac, Bialystok 2012). Diese Fähigkeit der kognitiven Kontrolle wiederum ist eine Grundvoraussetzung für das Erlernen von Sprachen.

Auch das so genannte Kiezdeutsch von Jugendlichen in Berlin hat die Sprachwissenschaftler inzwischen beschäftigt. Sie fanden heraus, dass Jugendliche, die in mehrsprachigen Vierteln aufwachsen, auf mehr Ressourcen im Sprachgebrauch zurückgreifen können, da sie u. a. ganz bewusst verschiedene Sprachvarianten adressatenspezifisch einsetzen.

Ebenso ergab die DESI-Studie (Deutsch-Englisch Schülerleistungen International), dass Schülerinnen und Schüler, die mehrsprachige Erfahrung in den Unterricht mitbringen, potenziell Vorteile für das Erlernen von Fremdsprache besitzen (Göbel et al. 2011). Allerdings – und hier wird es spannend – bedarf dieser Prozess didaktischer und methodischer Aufbereitung. Anders gesagt: Ohne Bewusstmachung des Potenzials bleibt es oft im Dunkeln verborgen.

Im DaZ-Unterricht ist das Thema Mehrsprachigkeit ja so etwas wie die Normalität, denn Lernende in Integrationskursen bringen mindestens eine Muttersprache mit in den Kurs. Das spricht dafür, das Ansätze aus der Mehrsprachigkeitenforschung auch als Quelle für das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache nutzbar gemacht werden sollten. Dabei geht es u. a. darum, die unterschiedlich erworbenen Spracherfahrungen im Lernprozess systematisch zu nutzen. Ein erster Schritt ist, dass die Lernenden ganz aktiv verschiedene Spracherfahrungen in den Unterricht einbringen und das geht eben nicht nur auf Deutsch.

Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke

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