Lernen und älter werden

Was Hänschen nicht lernt…kann Hans immer noch schaffen.
Es ist ein uraltes Vorurteil, dass erwachsene Menschen nichts Neues mehr erlernen können. Zugegeben: Es funktioniert nicht mehr so schnell und einfach wie im frühen Kindesalter, aber glücklicherweise hört die Fähigkeit zu Lernen nie auf.
Allerdings lernt ein ausgereiftes Gehirn anders. Die sogenannte fluide Intelligenz, mit der Kinder durch die Welt gehen, nimmt mit dem Erwachsenwerden ab. Zu spüren ist das daran, dass man langsamer lernt, sich nicht mehr so viel merken kann und einfach mehr Wiederholung und Zeit braucht. Das gilt natürlich auch für das Lernen von Sprachen.
Im Sprachunterricht mit älteren Erwachsenen sind daher einige Dinge zu beachten.
Zuerst gilt es, das Tempo an die Lernbedürfnisse anzupassen und, je nach Gruppe, die Progression zu drosseln. Ein langsameres Lerntempo mit vielen Wiederholungen ist angesagt. Hilfreich ist es auch, den Lernstoff auf größere, deutlich voneinander abgegrenzte Etappen, zu verteilen.
Das Älterwerden bringt ungefähr um das 50. Lebensalter herum auch ein Nachlassen der Seh- und Hörfähigkeit mit sich. Wenn man so will ist das eine große Herausforderung, der man am besten mit weiser Gelassenheit begegnet, denn aufzuhalten ist das nicht. Im Unterricht heißt das, dass Lernende eventuell Probleme beim Lesen von Kopien, klein gedruckten Lesetexten oder dem Tafelanschrieb haben. Sollten also Teilnehmende im Kurs mit den Lesetexten nicht klarkommen, kann das auch an einer fehlenden Lesebrille liegen. Größere und kontrastreiche Schrifttypen können den Lernenden hier entgegenkommen.
Auch Höraufgaben können schwerer zu bewältigen sein, da verschiedene Sprecher nicht immer zu identifizieren sind, leise und schnell Gesprochenes untergeht und Nebengeräusche enorm stören. Vor allem die akustische Unterscheidung von Höhen und Tiefen ist erschwert und eine ständige Geräuschkulisse im Kurs oder Nebengeräusche von draußen belasten ältere Lernende mehr als jüngere. Hier sollten also Bedingungen geschaffen werden, die das Konzentrieren auf eine Geräuschquelle ermöglichen.
Diese bisher eher negative Bilanz birgt aber auch einen großen Vorteil. Älterwerden ist eben nicht nur schlecht. Lebenserfahrene Lernenden bringen eine Menge Vorwissen mit von Dingen, die sie bereits in ihrem Leben erlernt oder getan haben. Die große Chance für erfolgreiches Lernen im Alter ist, an diese Vorerfahrungen anzuknüpfen und die bereits bestehenden Verbindungen im Hirn zu nutzen, um neues Wissen daran anzulagern.
Im Unterricht heißt das, die Lern- und Lebensbiografie der Lernenden bewusst einfließen zu lassen und sie aktiv an der Gestaltung des Lernprozesses zu beteiligen.
Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke