„Scaffolding“ I – Was heißt „Scaffolding“ für den Deutschunterricht mit Erwachsenen?

Gerüste bauen beim Sprachenlernen
Über sich hinauswachsen ist ein schönes geflügeltes Wort und „Scaffolding“ kann dabei helfen. Es geht vereinfacht gesagt darum, Lernende zu unterstützen, damit sie Dinge erreichen, die sie ohne Hilfe nicht geschafft hätten.
Lew Semjonowitsch Wygotski (1896–1934, auch Vygotzky), russischer Psychologe, beschrieb in seiner soziokulturellen Theorie einen Zustand in der Entwicklung des Kindes, den auch jeder Erwachsene, der etwas Neues lernt, kennt. Eine Art Lücke zwischen dem, was man von sich aus kann und dem, was man ohne Hilfe nicht erreichen kann. Das fängt bei ganz einfachen Dingen wie dem Fahrradfahren an und hört im Deutschunterricht mit Erwachsenen möglicherweise bei einer E-Mail an den Vermieter auf.
„Zone of proximal development“, oder Zone der nächsten Entwicklung (ZPD), heißt das Ganze bei Wygotski. Die Hilfe, die den Lernenden schließlich beim Sprung über die Lücke gegeben werden soll, kann wie ein Gerüst sein – „Scaffolding“ aus dem Englischen.
Im pädagogisch-psychiologischen Kontext meint „Scaffolding“ eine gezielte Förderung. Praktisch die Unterstützung des Lernprozesses, indem Orientierungshilfen in Form von Anleitungen, Denkanstößen und anderen Hilfestellungen bereit gestellt werden, so dass der Lernende befähigt wird, eine bestimmte Teilaufgabe eigenständig zu bearbeiten und zu lösen.
Damit „Scaffolding“ im Unterricht mit Erwachsenen klappt, sind verschiedene Bedingungen zu erfüllen. So steht und fällt alles mit dem Bereitstellen einer eindeutigen Anleitung. Dem Lernenden sollte klar sein, was genau getan werden muss.
Ein weiterer Aspekt ist das Offenlegen des Zwecks der Aufgabe. Es geht darum zu verstehen, warum eine bestimmte Aufgabe bearbeitet werden soll und was daran wichtig ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, zu verhindern, dass von der Aufgabenstellung abgewichen wird. Die Lernenden sollen zwar einen Großteil des Vorgehens selbst bestimmen, aber sie sollen dabei nicht vom Lernziel abweichen. Das gelingt durch präzise Auswahl der Materialen im Zusammenspiel mit eindeutigen Aufgabenstellungen.
Darüber hinaus sollte den Lernenden stets klar sein, was von ihnen erwartet wird, also auf welche Kriterien bei der anschließenden Bewertung besonders viel Wert gelegt wird. Zuletzt hilft es, wenn Informationsquellen oder die Lösungen zur Verfügung stehen. Ob und wie diese Hilfestellungen genutzt werden, können die Lernenden allerdings selbstständig entscheiden. Das hilft übrigens auch, Unsicherheiten oder Enttäuschungen zu vermeiden und einen positiven Umgang mit Fehlern zu finden.
Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke