Ach du liebe Zeit!

Individuelles Lerntempo und Zeitangaben
Wer kennt sie nicht, die hastigen und hektischen, die langsamen oder sprunghaften Lerner, die, die nie alles machen oder diejenigen, die alles zu gründlich ausführen. Jeder lernt in seinem eigenen Tempo.
Das Lerntempo hängt von kognitiven Eigenschaften, wie dem Abstraktionsvermögen, der Konzentrationsfähigkeit, dem logischen Denkvermögen genauso ab wie von äußeren Faktoren, beispielsweise dem Lernumfeld oder dem Schwierigkeitsgrad der Aufgaben.
Wird der Unterschiedlichkeit im Lerntempo nicht von Anfang an Rechnung getragen, entstehen für die Teilnehmenden schnell Gefühle der Über- oder Unterforderung. Erkenntnisse stellen sich nicht auf Knopfdruck ein. Im Hinblick auf die reine „Verstehenszeit“ erreichen wir die Teilnehmenden besser, wenn wir mit differenzierten Zugangsweisen arbeiten.
Auch der Blick auf die Lerntypen ist wichtig. Manche müssen sich intensiver mit einer Problemstellung beschäftigen und benötigen differenziertere Arbeitsphasen als andere. Ist der Groschen dann gefallen, sitzt der Lernstoff um so nachhaltiger. Andere wiederum konzentrieren sich von vornherein immer auf das Wesentliche und haben schnell die Aufgabe verstanden. Hier bleibt aber oftmals der tiefergehende Zugang auf der Strecke und es passieren Fehler beim Transfer, die schwer auszumerzen sind.
Der Unterschiedlichkeit im Lerntempo muss man mit gut durchdachter Binnendifferenzierung begegnen. Es reicht nicht, ausschließlich quantitativ über die Menge der Aufgaben zu differenzieren und die Schnellen mit Zusatzaufgaben zu beschäftigen. Hier müssen verschiedene Varianten ins Spiel kommen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Differenzierung über Zeitangaben. Allerdings Vorsicht: Die üblichen Zeitangaben wie „10 Minuten“, „eine Stunde“ werden in der Regel vereinfacht mit „wenig“ oder „viel Zeit“ übersetzt. Es gehört also zum 1x1 der Kursführung, das Ende der Bearbeitungszeit als Uhrzeit anzugeben. „Sie haben bis 11.35 Uhr für die Aufgabe Zeit.“
Auch eine Stückelung der Arbeitszeit hat positive Effekte. „Sie haben insgesamt 15 Minuten Zeit, bis 11.35 Uhr. Die erste Aufgabe sollten Sie in maximal 7 Minuten schaffen, also bis ca. 11.27.“ Unstrukturierten Lernenden gelingt es damit schneller in den Arbeitsprozess einzusteigen. Der Trick ist, diese Zeiten immer ein wenig unterhalb der vermutlich realen Bearbeitungszeit anzugeben.
Lerntypen, die sich intensiver mit einer Problemstellung beschäftigen müssen, kommen bei diesem Vorgehen allerdings in Stress. Hier nimmt man den Druck, indem man die Möglichkeit einräumt, nachzufragen. „Wenn Sie etwas nicht verstanden haben, fragen Sie bitte.“. Oder auch individuell die Möglichkeit konkreter Hilfestellung anbietet: „Können Sie anfangen, oder brauchen Sie noch etwas?“
Und was tun, wenn man merkt, dass um 11.35 Uhr die gesamte Gruppe immer noch eifrig und begeistert an der Aufgabe arbeitet? Auf keinen Fall unterbrechen. Lieber lässt man etwas vom Plan sausen, als die Momente der persönlichen intensiven Auseinandersetzung mit dem Lernstoff zu unterbrechen.
Unsere Blogautorin: Anke Kuhnecke