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Oktober 2021

Die praktische Kenntnisprüfung – Teil 2

Aufklärungsgespräch

Nach der Anamnese und der körperlichen Untersuchung in der praktischen Kenntnisprüfung klärt der Prüfling, Dr. Lee, die Patientin über Ihre Diagnose anhand der Untersuchungsbefunde auf.

Dr. Lee: So, Frau Breiter, wie geht es Ihnen denn jetzt?

Fr. Breiter: Naja, nicht wirklich anders als vorher, schwindlig und müde.

Dr. Lee: Ja, ich habe das Blutbild vom Labor jetzt vorliegen, Frau Breiter, und alle Zeichen sprechen für eine mikrozytäre hypochrome Anämie, in anderen Worten eine Blutarmut, in Ihrem Fall aufgrund von Eisenmangel.

Fr. Breiter: Anämie, das klingt jetzt aber sehr bedrohlich, wie krank bin ich denn nun?

Dr. Lee: Entschuldigung, ich wollte Ihnen keinen Schreck einjagen, das klingt für Sie jetzt vielleicht schlimmer, als es letztendlich wirklich ist. Um es kurz vorwegzunehmen: Ihr Zustand ist nicht besorgniserregend und wir können recht einfach eine deutliche Verbesserung erreichen.

Fr. Breiter: Ok, da atme ich jetzt erstmal durch. Erzählen Sie mir bitte, was mit mir los ist und wie Sie das in Ordnung bringen können.

Dr. Lee: Natürlich, Frau Breiter, dafür sind wir heute hier. Unser wichtigster Anhaltspunkt sind erstmal die Laborwerte. Die zeigen eine zu niedrige Zahl von Erythrozyten. Das sind, grob gesagt, die roten Blutkörperchen, die das Hämoglobin, also den roten Blutfarbstoff, tragen. Hier wird der Sauerstoff aufgenommen, gespeichert und durch den Blutkreislauf transportiert. Wenn zu wenig davon da ist, ist die Sauerstoffversorgung des ganzen Körpers beeinträchtigt und es kann zu den Erscheinungen kommen, über die Sie klagen. Ihre Ohnmacht, die Sie letztlich zu uns geführt hat, war ein deutliches Warnzeichen für Ihre Blutarmut. Aber auch Ihre schon länger bestehende Abgeschlagenheit, die Müdigkeit vor allem nach sportlicher Aktivität und Ihre Kurzatmigkeit unter Belastung passen hier ins Bild. Der immer wieder auftretende Schwindel ergänzt die zu erwartenden Symptome.

Fr. Breiter: Und woher kommt das bei mir?

Dr. Lee: Aus unserem Aufnahmegespräch haben sich für mich zwei Hauptursachen ergeben: Einerseits folgen Sie seit mehreren Jahren einer veganen Diät,…

Fr. Breiter: Moment mal, das ist jetzt keine Brigitte-Diät, „15-Kilo-weniger-durch- Kohlsuppe“, oder so. Ich habe mich vor fünf Jahren dazu entschieden, nicht mehr aktiv zum Leid von Tieren beizutragen und auf tierische Produkte jeder Art zu verzichten.

Dr. Lee: Das hab‘ ich jetzt auch gar nicht negativ gemeint, Frau Breiter, Diät ist einfach unser Wort für Ernährungsweise. Und ich gehöre auch nicht zu den Ärzten, die grundsätzlich von veganer Ernährung abraten. Aber bei Ihnen ist auch der Ferritinwert viel zu niedrig, das heißt, ihr Körper hat zu wenig Eisen, das Sie nicht über tierische Produkte zuführen.

Fr. Breiter: Aber da muss es doch andere Wege geben.

Dr. Lee: Sicher, deshalb hatte ich ja in unserem Erstgespräch auch gefragt, ob Sie Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen.

Fr. Breiter: Stimmt, und ich nehm‘ keine, das ist doch alles künstlich!

Dr. Lee: Nun ja, Ihrer Gesundheit zuliebe sollten Sie darüber nochmal nachdenken. Für das nächste halbe Jahr habe ich Ihnen zwei Mal täglich Eisentabletten verschrieben.

Fr. Breiter: Hmm, na gut, dann sollte ich vielleicht auch gleich noch Vitamine dazunehmen, B12 ist ganz wichtig, hab ich grad gelesen.

Dr. Lee: Na, Vorsicht! Also erstmal freut es mich, dass Sie den Sinn einer Nahrungsergänzung sehen. Aber lassen Sie uns noch einmal kurz ins Detail gehen: Wie gesagt, bei Ihnen handelt es sich um eine mikrozytäre hypochrome Anämie, das bedeutet, der Körper bildet zu wenig Hämoglobin, wodurch sich die Blutzellen zu klein entwickeln. Außerdem sind sie zu blass, zu wenig roter Farbstoff, und dadurch kann nicht ausreichend Sauerstoff aufgenommen werden. Wenn Sie an einem Vitaminmangel leiden würden, wie z.B. zu wenig Vitamin B12, dann hätten wir eine makrozytäre Anämie, also nicht mikro-, und müssten da was machen. Das ist aber nicht der Fall, Frau Breiter. Bitte fangen Sie nicht an, wahllos Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen. Auch Vitamine, auf jeden Fall die fettlöslichen, können tatsächlich Schaden anrichten, wenn wir unnötig viel einnehmen.

Fr. Breiter: In Ordnung, also keine Vitamine.

Dr. Lee: Nein, vor allem nicht, wenn Sie als Veganerin bei ausreichend Abwechslung der Lebensmittel sowieso eine absolut ausreichende Versorgung mit Vitaminen haben sollten.

Fr. Breiter: Das ist es also, ich nehm Eisentabletten, ja?

Dr. Lee: Das steht schon mal fest, aber da wäre noch die Sache mit Ihrer verstärkten Regelblutung. Einerseits steht Ihrem Körper zu wenig Baumaterial für die Blutbildung in Form von Eisen zur Verfügung, das wollen wir mit der Medikation verbessern. Andererseits verlieren Sie regelmäßig überproportional viel Blut durch die Menorrhagie, da möchte ich Sie gern nochmal zur Gynäkologie schicken, damit die das abklären.

Fr. Breiter: Muss ich mir denn da Sorgen machen?

Dr. Lee: Ich möchte den Kolleg*innen dort nicht vorgreifen, Frau Breiter, was Sie jetzt dazu von mir hören, ist spekulativ, da wir Sie noch nicht entsprechend untersucht haben. Aber diese massiveren Regelblutungen haben meistens eher unproblematische Ursachen. Oft sind es Schieflagen im Hormonhaushalt oder auch gutartige Neubildungen an Gebärmutter bzw. Gebärmutterhals, die sich in einem sehr kleinen Eingriff abtragen lassen.

Fr. Breiter: Neubildung klingt jetzt aber nicht gut.

Dr. Lee: Es wird immer auch zur Sicherheit ein Abstrich gemacht, der Krebs ausschließen kann. Aber machen Sie sich darüber jetzt bitte keinen Kopf, die Wahrscheinlichkeit für andere Ursachen ist sehr viel größer.

Fr. Breiter: Na gut, also nochmal zur Gynäkologin.

Dr. Lee: Ja, dort wird man mit Ihnen dann auch noch einmal viel detaillierter darüber sprechen. Aber aus unserer Erfahrung ist in den meisten Fällen mit einer Hormonbehandlung das Problem schon gelöst.

Fr. Breiter: Jetzt auch noch Hormone!

Dr. Lee: Frau Breiter, wie sieht es bei Ihnen denn mit Kinderwunsch bzw. Empfängnisverhütung aus?

Fr. Breiter: Kinder planen wir jedenfalls nicht mehr, warum? Könnte das schwierig werden?

Dr. Lee: Nein, gar nicht, aber die Einnahme der Pille normalisiert in den allermeisten Fällen auch die Stärke und Regelmäßigkeit der Monatsblutung, damit könnte dann auch dieser Aspekt der Blutarmut gelöst werden.

Fr. Breiter: Zwei Fliegen mit einer Klappe!

Dr. Lee: Wenn Sie so wollen (schmunzelt). Aber das entscheiden Sie, nachdem Sie gynäkologisch untersucht und beraten worden sind. Wir starten jetzt erstmal die Eisengabe. Ich gebe Ihnen für Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt einen Brief mit, in dem alles Wichtige steht. Machen Sie dort einen bitte einen Termin für in vier Wochen aus für eine nochmalige Blutabnahme, dann sehen wir, wie das Eisen anschlägt.


Autor*innen: Markus Ammon und Jana Kirchberger

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