MEIN PERSÖNLICHER BLICK von Radka Lemmen Radka Lemmen bringt über 30 Jahre Erfahrung in der Vermittlung berufsbezogener Deutschkenntnisse mit – als engagierte Lehrkraft, kompetente Fortbildnerin und versierte Autorin. Seit vielen Jahren bereichert sie unseren beliebtesten Lehrgang „Zertifizierter Dozent (m/w/d) Deutsch für medizinische Fachkräfte“ als Referentin. Ihren Beitrag zum Jubiläumsprogramm widmet sie mit einem besonderen Impuls ihrer langjährigen Leidenschaft: der praxisnahen, wirkungsvollen Erwachsenen- bildung – auch künftig ihr beruflicher Schwerpunkt. Als ich vor über einem Jahrzehnt das erste Mal vor einer Gruppe von Deutschlehrkräften in der Bleichstraße in Frankfurt am Main stand, war der Raum voll und ich schaute in erwar- tungsvolle, neugierige Gesichter. Damals ahnte ich noch nicht, wie tief diese Arbeit mich prägen würde. Inzwischen blicke ich auf eine Dekade zurück – Jahre, die für mich nicht nur als Trainerin, sondern auch als Mensch (und als Patien- tin) Entwicklung bedeuteten. Was mich damals motivierte, war meine jahrelange Unterrichtserfahrung als Lehrkraft für ausländisches medizinisches und pflegerisches Personal. Methodisch und didaktisch war ich gut aufgestellt. setzungen der Zugewanderten. Das beobachtete ich genau in meiner eigenen Unterrichtspraxis, passte die methodischen Zugänge an und flocht die Erkenntnisse an den geeigneten Stellen in den Lehrgang ein. Ich glaube, das war auch das, was dem Lehrgang seine Authentizität verlieh: von der Lehr- kraft zur Lehrkraft, aus der Praxis für die Praxis. Stets war es mir wichtig, dass es neben den Fachbegriffen um die Fähig- keit geht, klar, empathisch und präzise zu kommunizieren – egal, ob im Patientenzimmer, Behandlungsraum oder im Notfall. Diese sehr konkrete Sprache – die wende ich auch bei der Durchführung des Lehrgangs an. „Was dazu kam, war die Erkenntnis, dass Sprache im Gesundheitswesen mehr ist als ein Werkzeug: Sie ist die Brücke zwischen Verstehen und Chaos, im Extremfall zwischen Leben und Tod.“ Und diese Brücke zu bauen hat sich als eine der wichtigsten Aufgaben erwiesen. Über die Jahre hat sich der Lehrgang weiterentwickelt. Dazu trugen nicht nur die äußeren Einflüsse bei, wie die Rahmen- bedingungen für die berufsbezogene Sprachförderung oder die Programme des Bundes zur Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland, sondern auch die unterschiedlichen Voraus- Wichtig sind mir Beispiele aus dem interkulturellen Kontext. Ich bin sehr für die Entscheidung dankbar, dass die Interkul- turalität von Anfang an ein fester Bestandteil des Lehrgangs war. Damals klang es wahrscheinlich zu exotisch, aber es zeigte sich im Laufe der Zeit: Interkulturalität und Sprache sind zwei Seiten einer Medaille und beide sind für die Be- rufsfähigkeit der Fachkräfte unerlässlich. Heute integriere ich bewusst Übungen, um den Lehrgangsteilnehmenden zu zeigen, dass Vielfalt nur dann Chancen bietet, wenn sie mit Empathie und Sprachvermögen getragen wird. Dabei kann der Lehrgang nur ein Fenster in eine Welt sein, für die man Interesse und Affinität mitbrin- gen muss. Keine Lehrkraft muss ein abgeschlossenes Medi- zinstudium absolviert haben, sie muss aber die Fähigkeit besitzen, sich auf laufende Herausforderungen einzustellen und ständig an sich zu arbeiten. Die gemeisterten Herausfor- derungen werden belohnt, mit einem guten Gefühl, mit ei- nem Lächeln oder mit der Gewissheit, dass sich die Anstren- gung gelohnt hat. Es erfüllt mich mit Stolz, zu be obachten, dass ehemalige Lehrgangsteilnehmende anerkannte Expert:innen und Autor:innen auf dem Gebiet des berufs be- zogenen Deutsch sind. Jetzt, nach all den Jahren, denke ich: Ohne Sprache gibt es keine Sicherheit. An Praxisbeispielen mache ich deutlich: Sprachkompetenz ist nicht nur ein Berufsstandard, sondern auch eine Ethikfrage. „Egal ob im Pflegebereich oder in der Medizin – wer nicht versteht, was gesagt wird, kann nicht handeln. Und wer nicht verstanden wird, kann nicht helfen.“ Täglich sehe ich, wie wichtig eine effektive Kommunikation zwischen Patienten, Pflegepersonal und Ärzten ist, um eine sichere und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten. Meine Aufgabe als Trainerin ist es, diese Brücke zu bauen – zwischen den Sprachen, den Kulturen und den Berufen. Frau Radka Lemmen 66